Passionsspiele, Oberammergau, 14. Mai - 2 Okt. 2022

Das Passionsspiel erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der – wie uns das Lukasevangelium berichtet – schon als Kind eine große Leidenschaft für die Thora, die Heilige Schrift der Juden, hegte und heftig über deren Auslegung mit den Schriftgelehrten disputierte. Längst weiß man, dass Jesus ein starker Streiter für seinen Gott – den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs – war, und dennoch hat man ihn und seinen Namen dazu missbraucht, Juden auszugrenzen, zu verfolgen, einzusperren und zu töten. Antisemitismus, das ist uns in Oberammergau sehr wichtig, darf keinen Platz im Spiel, aber auch nicht im Leben der Spieler haben.Nicht weniger wichtig ist die Frage nach Jesus selbst, nach seinen Jüngern und all jenen Figuren, die das Schauspiel bevölkern. Was war er für ein Mensch, was hat ihn und jene, die ihn begleitet haben, umgetrieben? Früh verlässt er sein Elternhaus, seine Mutter und seine Geschwister, aus der Synagoge von Nazareth wird er hinausgeworfen, da seine Auslegung der Thora auf Widerstand stößt. Bis heute ist sein Satz geläufig, wonach ein Prophet nirgends weniger als in seinem Vaterland und in seinem Hause gilt. Vermutlich treibt er sich in den folgenden Jahren in den Städten Tiberias und Kafarnaum umher und kümmert sich um Menschen, die im sozialen Abseits stehen, um Prostituierte, Witwen und deren Kinder. Erst im Alter von etwa dreißig Jahren erfährt Jesus in der Wüste seine religiöse Erweckung. Die Menschen  laufen ihm nach, sie verlassen am See Genezareth ihren Beruf, ihre Familie, um mit ihm zu gehen. Die Reichen waren ihm ein Dorn im Auge. Er wollte bedingungslos Frieden und predigte seinen Anhängern die Feindesliebe. 

Er wollte bedingungslos Frieden und predigte seinen Anhängern die Feindesliebe. „Wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin!“ Diesen Satz können wir nicht ertragen, wir glauben nicht, dass diese Haltung funktioniert. Nicht im eigenen Leben und schon gar nicht in der Welt. Wohin dies führt, sehen wir in der Ukraine, in Syrien, im Jemen oder in Afghanistan und an vielen anderen Orten der Welt.

Nicht Gott denkt sich Kriege aus, wir Menschen tun dies, nicht Gott ist für den Hunger in der Welt verantwortlich, wir selbst sind daran schuld. Unser Blick auf Gott und auf die Welt hat sich grundlegend geändert.

Und dennoch halten wir an dieser alten Tradition fest und spielen alle zehn Jahre die Geschichte eines Mannes, der vor mehr als 2000 Jahren durch die Wüste Galiläas gezogen ist, die Städte Kafarnaum und Jerusalem in Aufruhr versetzt hat und im Alter von 33 Jahren ans Kreuz geschlagen wurde

Der Chor

Neben den Spielszenen und den Lebenden Bildern sind die Chorauftritte ein wesentlicher Bestandteil der Passionsspiele. Für 2022 ist der Chor in einfache, aber festliche bäuerliche Kleidung, die an das Gelübde-Jahr 1633 erinnern soll, gekleidet. Somit beginnt die Inszenierung von 2022 mit einem neu geschaffenen Auftritt, bei dem die Bürgerinnen und Bürger von Oberammergau das Gelübde von 1634 darstellen und in den folgenden Szenen als Chor die Zuschauerinnen und Zuschauer durch das Passionsspiel begleiten.

Stefan Hageneier – Bühne und Kostüme

Das Passionstheater

Die Bühne wurde 1928 erbaut, der Zuschauerraum 1898. Zu den Passionsspielen 2000 wurde das gesamte Passionstheater renoviert. 2020 wurde das Bühnenhaus umgestaltet und das Passionstheater unter Denkmalschutz

Fotos (c) Arno Declair und Gabriela Neeb